17.10.2022

Steigende Logistikkosten: Ende der kostenlosen Retoure?

Kostenlose Lieferung und Retoure sind für viele Verbraucher oft das ausschlaggebende Kriterium bei der Bestellung eines Produkts. Sie sind verwöhnt von den großen Playern wie Amazon, Zalando, Otto und anderen, die den Wettbewerb bestimmen. Das Angebot der kostenfreien Lieferung oder das Versprechen einer Lieferung am nächsten Werktag haben dazu geführt, dass Lieferkosten oder Verzögerungen kaum noch akzeptiert werden. Wie eine Studie des Payment-Anbieters Klarna zeigt, würden 62 Prozent, also knapp Zweidrittel, der Online-Shopper einen Händler meiden, der keine kostenfreie Retoure anbietet. Die aktuelle Weltlage stellt jedoch eine enorme Herausforderung für den Handel dar: Durch die Corona-Pandemie haben sich die Preise vor allem für Logistik und Transport, aber auch für Materialien und Verpackung extrem verteuert. Zudem sind die Kosten für Energie extrem angestiegen. Das geht an den meisten Online-Händlern nicht spurlos vorbei. Viele Shops können die steigenden Kosten kaum mehr stemmen. Naht also das Ende der kostenlosen Retoure?

Deutschland ist bei Retouren Spitzenreiter in Europa

Wie aus einer Studie der Uni Bamberg zum Thema Retourenmanagement hervorgeht, ist Deutschland Retouren-Europameister. Als Gründe nennen die Forscher folgende: In Deutschland werden viele Produkte auf Rechnung bestellt. Das zieht eine höhere Retourenquote nach sich. Darüber hinaus sind die Rückgabefristen in Deutschland sehr großzügig bemessen. Aber die entscheidende Ursache ist die kostenlose Retoure. Fast 89 Prozent der Online-Händler gaben an, dass die Retoure kostenlos ist. Im Vergleich dazu: In anderen EU-Ländern liegt die Prozentzahl bei gut 52.

Wer ist betroffen?

Nun hängt eine Rücksendung auch von der Art des Produkts ab. Bücher werden naturgemäß selten zurückgeschickt, weil es hier keine Überraschungen gibt bzw. keine Erwartungen enttäuscht werden. Ganz anders ist das im Fashion-Bereich und so ist auch in Deutschland vor allem die Modebranche betroffen. Verglichen mit anderen europäischen Ländern ist die Rücksendequote bei Fashion-Shops in Deutschland am höchsten. Hier wird fast jedes zweite Paket wieder zurückgeschickt. Das liegt in der Natur der Dinge. Da Kunden die Kleidung vor der Bestellung nicht anprobieren können, bestellen viele ihre T-Shirts, Hosen und Co. in mehreren Größen und senden die nicht passenden Kleidungsstücke wieder zurück. Das ist verständlich, aber das Gegenteil von Nachhaltigkeit. Zusätzlich belastet es die Umwelt durch den entstehenden Verpackungsmüll sowie die anfallenden CO2-Emissionen beim Transport. Kostenlose Retouren unterstützen dieses Kaufverhalten.

Ebenfalls kontraproduktiv bezüglich der Nachhaltigkeit ist, dass retournierte Produkte oft weggeworfen werden, statt von einem Mitarbeiter auf eventuelle Beschädigungen überprüft und wieder ins Lager geräumt zu werden. Denn die Kosten für die Entsorgung sind häufig günstiger als der logistische Aufwand. Daher bleibt vielen Verkäufern nichts anderes übrig, als zurückgeschickte Artikel zu vernichten. Knapp 20 Prozent der Händler sagen, dass Recycling unwirtschaftlich ist. Bei diesen Zahlen überrascht es daher nicht, dass sich viele Online-Händler eine gesetzliche Pflicht für eine Retouren-Gebühr wünschen. Denn die Gebühr von sich aus zu erheben, steht für die meisten Händler nicht zur Debatte, da der Wettbewerbsdruck durch die großen Versandhäuser wie Otto und Marktplätze wie Amazon einfach zu hoch ist. Diese planen aus strategischen Gründen keine Änderungen ihrer Retourenangebote. So profitieren sie weiterhin von Wettbewerbsvorteilen und bauen Markteintrittsbarrieren auf.

Ketten wie Uniqlo und Zara haben jedoch nun die Lanze gebrochen und Rücksendegebühren von 2,95 bzw. 1,95 Euro pro Rücksendung eingeführt. Seit Neuestem testet auch H&M eine Rücksendegebühr.
Wie kann man als kleiner Shop bei den großen da noch mithalten?

Tipps, wie Du Deine Retouren reduzieren kannst:

› 1. Verfasse ausführliche Produktseiten inklusive Bewertungen

Die wichtigste Regel lautet hier: Je mehr Informationen Du Deinen Kunden auf den einzelnen Produktseiten zur Verfügung stellst, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie den Artikel wieder zurückschicken. Daher gestalte Deine Produktseiten ausführlich. Du kannst die reinen Informationen auch gerne um die Bewertungen Deiner Kunden ergänzen. 

Die Produktbeschreibungen sollten nicht werblich sein, also nicht einfach den Text des Herstellers verwenden. Das ist auch für die Suchmaschinenoptimierung (SEO) - Stichpunkt unique content (einzigartiger Inhalt) - besser. Dasselbe gilt für die Produktbilder. Mach eigene Fotos oder bitte Deine Kunden, welche zu machen, die die Mode tragen oder die Artikel benutzen.

› 2. Präsentiere Deine Produkte auf verschiedenen Kanälen

Verwende für die Präsentation Deiner Produkte möglichst viele Kanäle. Nutze die verschiedenen Möglichkeiten, Deine Zielgruppe anzusprechen: Blog, Videos, Erfahrungsberichte von Dir oder Deinen Kunden, Tutorials oder auch Live-Shopping-Formate. Hier kannst Du Deine Produkte in einen realen Zusammenhang einbetten und ihre Geschichten erzählen.

› 3. Gib realistische Lieferzeiten an

Realistische Lieferzeiten sind sehr wichtig. Denn für knapp 30 Prozent der Online-Shopper ist eine verspätete Lieferung eine der Topgründe, über die sie sich beim Online-Shopping ärgern. Eine gute Möglichkeit, den Kunden zu informieren, ist das Paket-Tracking. So kann Dein Kunde sehen, wo sich seine Ware gerade befindet und wann sie zugestellt werden soll. Bei Verzögerungen solltest Du Deine Kunden unbedingt darüber informieren.

Ausführliche Produktseiten inklusive Bewertungen

› 4.  Sei auf verschiedenen Wegen erreichbar

Auch die Erreichbarkeit ist essenziell. Können Dich Deine Kunden per Live-Chat, Mail oder Telefon kontaktieren, können Fragen schnell beantwortet oder eventuelle Missverständnisse ausgeräumt werden. Gut ist es, wenn Du auch am Wochenende eine Möglichkeit anbietest, da viele Verbraucher die freie Zeit nutzen, um sich in Online-Shops umzusehen.

› 5.  Verknüpfe On- und Offline-Shop miteinander

Wenn Du einen On- und einen Offline-Shop hast, kannst Du diese miteinander verknüpfen. So kannst Du beispielsweise Click & Collect anbieten. Ebenso kannst Du Deinen Kunden ermöglichen, gegebenenfalls Artikel in einer Filiale zurückzugeben.

› 6.  Passe die Retoure-Optionen an die Ware an

Ein weiterer Tipp ist die Anpassung der Retoure-Optionen an die Ware. So kannst Du zum Beispiel die Versand- bzw. Retouregebühren in die Produktionskosten einberechnen. Dadurch kannst Du Deinen wirtschaftlichen Schaden verringern.

Erreichbarkeitsmöglichkeiten

Nicola Bächle

Nicola Bächle

Nicola ist spezialisiert auf die Erstellung und Bereitstellung von hilfreichen Inhalten rund um das Thema E-Commerce. Durch intensive Recherchen und das Konsultieren von Experten stellt sie Fachwissen übersichtlich aufbereitet zur Verfügung.


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